Lehrkräftemangel und kein Ende in Sicht – der Versuch einer Bestandsaufnahme!

Auch in den nächsten Jahren erwarten Bildungsexperten keine Trendwende in Sachen Lehrkräftemangel. Obwohl der Bedarf von Lehrer*Innen auf der einen Seite zunehmend wächst (allein für 2021 wird dieser mit ca. 33.000 beziffert, KMK Prognose, Dez. 2020), können vor allem im Bereich der Primarstufe, Sonderpädagogik und in den Mint Fächern die notwendigen Einstellungen, sicherlich auch mittelfristig, einfach nicht gedeckt werden (bis 2025 fehlen laut dem Deutschen Lehrerverband sogar 26.300 Grundschullehrkräfte – in den Mint Fächern wird es nach Ansicht von Prof. Klemm eine Bedarfsunterdeckung von zum Teil deutlich unter 50 % geben (Studie der Telekom Stiftung, Januar 2021).
Wenn man sich jetzt noch vor Augen führt, dass darüber hinaus auch noch die Anzahl der Lehramtsabsolventen in den letzten 5 Jahren um 25 % rückläufig war, muss einem zwangsläufig doch etwas mulmig zumute werden.

Nicht unerwartet richtet sich folgerichtig seit geraumer Zeit der Blick auf die Seiten- oder Quereinsteiger, also ein mögliches Lehrkräftepotenzial, welches allerdings allesamt kein Lehramtsstudium absolviert hat.

Doch wie so oft wird die stete Hoffnung auf Besserung im föderalen Bildungssystem durch den immer wiederkehrenden Tatbestand erschwert, dass es für diese Zielgruppe überhaupt kein einheitliches Verfahren zur Integration in den Schuldienst gibt, geschweige denn eine einheitliche Definition in den Bundesländern.

In der aktuellen Sonderausgabe vom Monitor Lehrer-Lehrerbildung der Bertelsmann Stiftung („Flexible Wege ins Lehramt!?- Qualifizierung für einen Beruf im Wandel“) werden mit dem Begriff Quereinsteiger*Innen Lehrkräfte bezeichnet, „die ohne vorangegangenes Lehramtsstudium in den Vorbereitungsdienst einsteigen.“

Demgegenüber werden mit Seiteneinsteiger*Innen Lehrkräfte bezeichnet, „die ohne Lehramtsstudium und ohne Vorbereitungsdienst direkt in den Schuldienst eintreten!
Frage: Können nun die Quer- und Seiteneinsteiger das sinkende Schiff des latenten Lehrkräftemangels retten?

Schaut man zunächst auf die aktuellen Einstellungszahlen könnte man dies fast bejahen: Allein in Sachsen werden über 50% der Lehrkräfte durch Quereinsteiger kompensiert, in Berlin sind es 40%, in Brandenburg 32% und in Mecklenburg- Vorpommern immerhin 22,9.%. Allerdings fällt auf, dass insbesondere die alten Bundesländer hier deutlich hinterher hinken, hinzu kommt das Bayern und Saarland überhaupt keine Quereinsteiger zulässt (KMK Bericht, 2018).

Richten wir des Weiteren die Aufmerksamkeit auf die 61 Hochschulen, die lehramtsbezogene Studiengänge anbieten, holt einen die Wirklichkeit unweigerlich und zugleich gnadenlos wieder ein!

Nur 16 Hochschulen bieten überhaupt Masterstudiengänge für Quereinsteiger an, 42 Hochschulen haben nicht einmal ein Angebot und lediglich 3 Hochschulen denken erst einmal darüber nach!

Quelle: Monitor Lehrerbildung: Flexible Wege ins Lehramt, 2020

 

Vor diesem Hintergrund kann meine Empfehlung an die Kultusministerien nur lauten:

  • Schafft ein einheitliches Einstellungsverfahren für Quer- oder Seiteneinsteiger
  • Einstellungen, ggf. auch ohne Studienabschluss, müssen möglich sein, insbesondere an Berufsschulen
  • Organisiert ein besseres, proaktiveres Coaching an den Hochschulen, um hohe Abbrecherquoten zu reduzieren
  • Führt verpflichtende Eignungsangebote für Lehramtsstudierende bereits vor Studienbeginn ein
  • Bietet schulformübergreifende Studiengänge an Hochschulen an, um den Bedarf an Lehrkräften besser steuern zu können
  • Erhöht die Besoldung und schafft zusätzliche monetäre Anreize bereits im Vorbereitungsdienst
  • Fördert schon jetzt die Integration von mehr Lehramtsstudenten im aktiven Schuldienst

Gastautor:
Frank Mertens
Direktionsbevollmächtigter DBV Deutsche Beamtenversicherung
Gründer Bildungsportal Fit4Ref